Mama, Papa, kommt doch mal her!

Passend zum Pfingstwochenende hier nur dezent verspätet ein kleiner Einblick in unseren Familienurlaub an Pessach (Ostern). Trotz meinem Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit nach 18 Jahren wohlbehüteter Kindheit war es um ehrlich zu sein auch mal wieder ganz schön mit den Eltern zu verreisen, und sich einfach um nichts kümmern zu müssen. Da wir die meiste Zeit in Haifa, im Norden Israels unterwegs waren, mussten Papa und Mama als große Freunde von allem was grünt und blüht natürlich auch die berühmten Bahai-Gärten besichtigen – und ich mit ihnen. Anders als früher hat sich dieser Ausflug jedoch nicht als langweilig herausgestellt, sondern mich sehr begeistert. Besonders die Informationen über die Bahai-Religion haben mich nachträglich weiter recherchieren lassen. Mein 8-Jähriges Ich hätte diesen Tag vermutlich in die schönen aber uninteressanten nachmittäglichen Ereignisse mit der Familie eingereiht, aber ich schätze ich bin wohl alt geworden… gemessen daran, dass ich mich hier unglaublich für Töpferwaren, Teppiche und schöne Fliesen begeistern kann, und an shoppen oder bunten Kaugummi eher wenig Gedanken verschwende.

Den fantastischen Ausblick über die verschiedenen Beete und einzigartigen Blüten wollte ich Euch nicht vorenthalten, also hier eine Portion blümeranter Vielfalt aus Israel für Euch.

20180330_17405020180331_12001720180331_111937

20180331_122446
Bahai Gardens – UNESCO Weltkulturerbe
20180330_181916
Reunion – Mama und Ich wieder am See Genezareth

20180331_115054

20180331_113526
Interesse an einer Führung?

20180331_12302720180331_123908

20180331_123911
Bahai Schrein

20180331_12401520180331_12461420180331_12553520180331_131019

20180331_145525

20180406_10225020180406_10264720180405_152421

20180406_091941
Bahai Garten in Akko

„Und sie waren stolz Deutsche zu sein. Krasse Leistung, das leuchtet mir ein…“

Israeli Holocaust Memorial Day – Jom ha`schoa, 11.-12.04.2018

Ein Land hält den Atem an.

Als ich nach Israel gezogen bin, war mir natürlich bewusst, dass die Bevölkerung dieses Landes und die Deutschlands gezwungener Maßen eine Vorgeschichte teilen,welche meinen Freiwilligendienst hier sehr prägen wird. Das ist unter anderem einer der wichtigsten Gründe, warum ich überhaupt hier sein kann. Gemeinsames entgegen wirken, dass so etwas wie der Nationalsozialismus nie wieder geschehen wird. Deshalb sind Freiwillige in Israel und überall auf der Welt so etwas wie Friedensbringer. Wir versuchen die Welt und die Menschen die darin leben für einen Dialog offen zu machen und Brücken zwischen ihnen zu bauen. In den letzten Wochen konnte ich sehr viel über israelische Gedenktage lernen, was mich nur um so neugieriger gemacht hat. In Deutschland erinnern sich viele Leute nur an Gedenktage, wenn es jemand auf Twitter ankündigt, oder es einen vorgedruckten Vermerk im Kalender gibt. Und auch dann, sind es meistens nur das, Worte. Deren Bedeutung und Aufgabe habe ich erst hier am eigenen Leib erfahren. Ich muss zugeben, auf ziemlich deprimierende, aber unglaublich interessante und lehrreiche Art und Weise.

Am Mittwoch um ungefähr elf Uhr am Vormittag ertönten auf ein Mal laute, anhaltende Sirenen. Eben die Sirenen, welche ich zuvor nur bei einer landesweiten Bombenalarm-Übung gehört hatte. Doch niemand lief hektisch herum, keiner wies mich an die Kinder möglichst schnell rein zu bringen. Meine Kolleginnen standen alle ruhig da, den Blick in die selbe Richtung gewannt, mehr oder weniger ins Gebet vertieft, bis der Alarm vorüber war. Vom Fenster aus konnte ich beobachten, wie Autofahrer mitten auf der Straße stoppten, aus dem Auto ausstiegen und in einem Moment der vollkommenen Stille in der Stadt, der Opfer der Shoa gedachten. Fast hätte ich angefangen zu weinen. Warum kann ich nicht genau sagen. Doch irgendwie hatte die Intensität dieses Momentes eine immense Wirkung auf mich.

Memorial day for Israel`s fallen soldiers – Jom Hazikaron, 17.04.2018

Sollte es einen ähnlichen Feiertag in Deutschland geben (wovon ich ehrlich gesagt nicht ausgehe, egal in welchem Krieg, ob aktuell oder vergangen), habe ich davon bis jetzt noch nicht viel mitbekommen. In Israel jedoch ist der Tag zum Gedenken an die gefallenen israelischen Soldaten, sowie zivilen Opfer des Terrorismus genau so wichtig wie Jom ha`schoa. Viele jüdische Geschäfte haben geschlossen oder legen zum mindest für ein paar Stunden die Arbeit nieder. Eine Sirene ertönte morgens um acht wieder durchs ganze Land. Diesmal habe ich es nicht zusammen mit meinen Kolleginnen erlebt, sondern promt verschlafen, da ich erst um neun bei der Arbeit sein muss. In üblicher Freiwilligen-Manier ist man da noch nicht vor halb neun wach – Oropax sei dank. Ich muss auch gestehen, dass es mir nach dem Besuch des Banksy-Museums vor ein paar Tagen relativ schwer fiel, den überschäumenden Patriotismus in diesem Land an jenem und dem darauf folgenden Tag zu ertragen…

Israeli Independence Day – Jom HaAtzmaut, 18.-19.04.2018

In Vorbereitung auf den israelischen Unabhängigkeitstag wurden Wochen zuvor im gesamten Land Flaggen an so ziemlich jedem verfügbaren Laternen-Mast oder Pfahl angebracht.  Meine Kolleginnen erklärten mir es sein eine Art „Happy Birthday“ für Israel, was ich mir vorher auch schon gedacht, oder zusammen-gegooglet hatte. Es gab Falafel in rauen Mengen, blau und weiß glasierten Kuchen, diverse Plastikfähnchen in Nationalfarben und eine ausgeprägte Garten- und Innendekoration. Nicht zu vergessen die Kopftücher mit Davidsstern für die Kindergartenkinder. Abends gegen zehn Uhr wieder eine Gedenk-Sirene, die mir die Möglichkeit gab meinen Eltern ein  Video vom vollkommen verstopften Highway zu schicken, da wieder alle Auto-Inhaber in Gedenken inne hielten. Flankiert wurde dieses Ereignis, welches ich mit meinen Mitbewohnerinnen von der Dachterrasse aus beobachten konnte übrigens von spektakulären Feuerwerken, welche paradoxer Weise meist rot und grün leuchteten. Entweder da hat sich jemand einen palästinensisch eingefärbten Scherz erlaubt, oder einfach nicht mit seinem Gehirn gedacht. Vielleicht ja auch beides? Den ganzen Tag über hatte ich ein leicht bedrückendes Gefühl, auch wenn mir der „Independence Day“ einen halben Tag frei verschaffte. Eine meiner arabischen Kolleginnen reagierte zunehmend genervt auf das Thema, und war ganz offensichtlich nicht in Feierlaune… . Es macht Sinn, wenn man weiß, dass der gleiche Tag in palästinensischen Gebieten als „Nakbar Day“ , `dem Tag der großen Katastrophe`, gedacht wird. Hier wird den über 700.000 arabischen Palästinensern gedacht, welche durch die Unabhängigkeit Israels aus ihren Gebieten fliehen mussten. Unzählige Menschen protestieren an diesem Tag für Veränderungen. Besonders nach meiner kurzen Reise nach Palästina habe ich bei so viel Feierlichkeit und dem sich auf die Schulter klopfen seitens der Israelis in meiner Umgebung doch ein merkwürdiges Gefühl bekommen.

Geburtstag von Adolf Hitler, mit Nachrichten aus Deutschland und Gefühlen in Israel , 20.04.2018

An diesem Tag hielt ich mir konstant den Kopf beim lesen diverser Spiegel Online Artikel über Rechtsrock-Festivals in Ostritz, während diese nationalistischen Idioten den Geburtstag von Hitler bejubelten.

Ghetto Fighter House Museum – „Jom Seminar“ – sorry, kleiner Wortwitz, 15.04.2018 Ich halte den Atem an.

Dr. Mengele, Adolf Eichmann. Namen, die vielen von euch sicherlich ein Begriff sind und beim einen oder anderen Unbehagen, Schauer am Rücken und schieres Unverständnis oder Ekel auslösen, mich mit eingeschlossen. Sie selbst redeten von sich als Ärzte, die einen großen Dienst an der Wissenschaft tun oder als kleine Rädchen in einer riesigen Maschinerie, welche nur Befehlen gefolgt sind. Die Verblüffung über all die vielseitigen und schockierenden Informationen lässt mich Euch nach wie vor nicht über alles berichten. Eine unheimliche Fülle an originalen Materialien, Zeitzeugenberichten und Fakten aus der NS-Zeit haben mich so dermaßen umgehauen, wie es selbst ein Jahrzehnt Geschichtsunterricht nicht vermocht hat. (Sorry Herr Mieth und Frau Knauer-Krenzin, Sie haben Ihr Möglichstes getan.)

Informationen, die mich in diesem Moment absolut sprachlos, wütend, beschämt und traurig haben werden lassen. Nicht nur über den Holocaust an sich, sondern auch über das Leben der jüdischen Bevölkerung weltweit vor und nach dem II. Weltkrieg wurden detailreich und sehr anschaulich dargestellt. Manchmal härter und realistischer als mir lieb war, aber im Nachhinein bin ich zu beeindruckt um mir zu wünschen es nicht gesehen zu haben, auch wenn ich seit dem oft nachts von Albträumen wach werde. Ein paar Sachen sind mir besonders im Gedächtnis geblieben, sodass ich mich in den darauf folgenden Tagen zwangsweise damit beschäftigt habe. Ich wollte mehr wissen. Hierfür habe ich mir unzählige Interviews mit Überlebenden der Zwilligs-Experimente Mengeles durchgelesen, deren Biografien studiert und unglaublich viel Zeit auf Wikipedia verbracht. Wer von Euch sich tiefgreifender mit dem Thema beschäftigen möchte, sollte sich einmal die Firma „Topf&Söhne“ vornehmen. Um glaubhaft abzustreiten etwas gewusst zu haben, hätten Sie nicht nach Auschwitz kommen dürfen um die Brennöfen zu reparieren. Allein bei diesem Gedanken bin ich völlig Fassungslos.

Sage und schreibe fast einen Monat habe ich gebraucht um diesen Artikel für Euch zu schreiben. Ich bin sicher zu sagen, dass der Besuch des Ghetto Fighter House Museums eines der prägendsten Erlebnisse meines Lebens darstellt. Meiner Meinung nach ein wichtiger Grund um hier her zu reisen.

http://www.gfh.org.il/Eng/

 

Diese Diashow benötigt JavaScript.

https://www.google.co.il/search?q=ghetto+fighter+museum+israel&rlz=1C1CHBF_deDE693DE693&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwjkhJPfxvTaAhWQ3KQKHWJCB24Q_AUICigB&biw=1366&bih=637#imgrc=y7wlBCkPh4tBPM:

https://www.google.co.il/search?q=ghetto+fighter+museum+israel&rlz=1C1CHBF_deDE693DE693&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwjkhJPfxvTaAhWQ3KQKHWJCB24Q_AUICigB&biw=1366&bih=637#imgrc=c2lvn0ISPDBj1M:

https://www.google.co.il/search?q=model+treblinka&rlz=1C1CHBF_deDE693DE693&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwjis6_Vx_TaAhWFK1AKHQbSBSUQ_AUICigB&biw=1366&bih=588#imgrc=yT4c_pk99Um4tM:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

 

Feel good?

Feel good! – Gute Besserung!

Ein Satz, welcher eigentlich Zuversicht und Dankbarkeit auslöst darüber, dass die Menschen im eigenen Umfeld viel an dich denken, dich vermissen und nur das Beste für dich wollen, dir wünschen, dass du (wieder) gesund bist. Leider habe ich diesen Satz in den letzten drei Monaten viel zu oft gehört. Von meiner Managerin Eti und meinen Kolleginnen Sophie, Revital und Tania im Kindergarten, von meinen Mitbewohnerinnen, unserer Managerin Anna von der Israeli Volunteer Association (IVA), von Freunden hier und in Deutschland. Feel good! Hoffentlich geht es dir bald wieder besser!

So sehr ich mir auch wünsche einer dieser Menschen zu sein, die höchstens ein Mal im Jahr eine Grippe haben und ansonsten kerngesund und ohne Medizin-Notfall-Täschchen als Begleiter durchs Leben stiefeln, hatte ich bis jetzt hin und wieder doch so einige Unpässlichkeiten die mich aufgehalten haben. In Israel, mit der guten Laune und warmen Sonne dachte ich, würde sich mein Immunsysthem aus dem Winterschlaf räkeln, ein Mal breit grinsen und endlich mit seiner Arbeit beginnen. Aber daran geglaubt habe ich wohl doch nicht so ganz. Stattdessen haben drei Zip-Lock-Beutel voll mit Schmerztabletten, Tape für meinen instabilen Knöchel, Hustenbonbons, Pflaster und homöopathischen Medikamenten (gegen so ziemlich alles was man so haben kann), Platz in meinem Koffer und auch ein bisschen Zuversicht in mir gestohlen.

Ich persönlich denke nie daran wie gut es mir doch geht, solange ich gesund bin. Das geht vermutlich vielen von Euch ebenso. Ich wache Morgens auf, gehe zu Arbeit und habe einen schönen Tag. Ein Glück sieht die Mehrheit meines Lebens trotz meines faulen Immunsysthems so aus. Oder sah zum mindest so aus. Seitdem ich hier bin, jeden Wochentag mit wenigstens vier, schlimmsten Falls an die zehn kränkelnden Kindern hantiere, welche nicht selten trotz Fieber und offensichtlichem Unwohlsein in den Kindergarten gebracht werden, kämpfe ich so ziemlich jeden Tag dagegen an, nicht auch krank zu werden. Wenigstens ein Mal pro Monat versagt mein Körper und meldet Insolvenz an. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass ich Teil eines sehr verständnisvollen und umsorgenden Teams bin, denn nicht selten gehe ich mit starken Kopfschmerzen, Fieber und ohne Stimme nach Hause. Trotz Salbeitee und inhalieren gelingt es mir doch selten die Viren ganz zu vertreiben, sodass ich  mehr halb als ganz gesund wieder bei der Arbeit erscheine. Kleine Rotznasen und die allgegenwärtigen Klimaanlagen sind seit Januar zu Feindbildern empor gestiegen.

Wo jemand krank ist, erscheint er oder sie beim Arzt. Zum mindest ist das in Deutschland so. Ohne Bedenken kann ich wegen jeder noch so unbedeutend erscheinenden Sache zu meiner Hausärztin gehen und sie um Rat oder Hilfe bitten. Als Freiwillige in Israel mit einer Auslands-Krankenversicherung ist das alles etwas anders. Erst jetzt wird mir klar wie viel Geld das alles kostet. Für mich waren es bis Januar nur kurze Besuche, die vielleicht nach sich ziehen ein Medikament verschrieben zu bekommen oder einen Bluttest zu machen. Wartezeiten halten sich in Grenzen, die Kommunikation ist problem- und mein Besuch kostenlos. Ich muss mich nicht mit Symptom-Ratespielchen stressen, sondern bin mit einer felsenfesten Diagnose und dem Versprechen in Packungsbeilagen erklärter Zeit wieder fit zu sein. (Deutsche Krankenkassen können echt ein Segen sein!) Doch auch wenn ich hier schon so oft krank gewesen bin, habe ich doch bis vor einem Monat nie einen Arzt aufgesucht. Immer Selbst-Medikation, nach zwei, höchstens drei Tagen wieder zur Arbeit, ansonsten brauche ich einen Krankenschein. – Würde bedeuten, im israelischen Mediziner-Wirr-Warr eine Arztpraxis zu finden welche Freiwillige aus dem Ausland behandelt, jetzt und nicht in sechs Tagen Zeit hat, und nach Möglichkeit nicht astronomisch teuer ist. Um die 300 Euro, sprich um die 950 israelische Shekel sind die Regel, mit Rezept, Medikamenten oder Tests wird einem bei der genannten Summe fast schlecht. Gesundheit kostet. – Die Privat-Patienten unter euch kennen das bestimmt.

Doch bevor ihr die Hände über dem Kopf zusammen schlagt und euch verwundert fragt, wie Freiwillige denn auf solchen Kosten sitzen gelassen werden, kann ich euch erfreut berichten, dass alle Arztrechnungen, sofern zweifach belegt, nach meiner Rückkehr übernommen werden.  – Vielleicht fragt ihr euch jetzt, wo denn dann mein Problem liegt? Stellt euch eine Situation wie die meine vor einer Weile vor: Den Tag irgendwie durch gezogen habe ich gegen halb fünf doch solche Kopfschmerzen, dass ich früher nach Hause gehe. Ich habe alles versucht und sicherlich auch eine großzügig bemessene Menge an Schmerzmitteln genommen, um das zunehmend unerträgliche Stechen oberhalb meine Augen zu lindern, doch nichts verändert sich. Die ganze Nacht über konnte ich nicht schlafen und war dankbar, dass ich mir in weiser Voraussicht einen Eimer neben das Bett gestellt hatte. Gegen Morgen waren all meine Mitbewohnerinnen weg, mein Magen leer und ich fühlte mich, gemessen an meiner Erinnerung, so elend wie noch nie zuvor. An dieser Stelle ein Hoch auf meine Mutter, welche mich die ganze Zeit telefonisch unterstützt hat. Hut ab vor ihren Nerven! Es war bestimmt nicht einfach einen kühlen Kopf zu bewahren, während ich teilweise vor Schmerz und Ratlosigkeit geweint habe. So etwas habe ich vorher wirklich noch nie erlebt. So weit weg von Zuhause krank zu sein ist ja immer eine Herausforderung, aber in dieser Situation hatte ich wirklich keine Ahnung was ich noch machen sollte. Allein der Gedanke, dass ich nicht genug Bargeld in der Wohnung habe um zum Arzt zu gehen, erscheint mir jetzt vollkommen verrückt, war ohne funktionierende Kreditkarte aber tatsächlich meine Realität, die mich von einer Besserung abhielt.

Krankenhäuser mochte ich noch nie, und an diesem Tag noch weniger nachdem ich mich entschieden hatte, dass es am nächsten lag, im Notfall schnell Tests gemacht, und ich mit mehr als Schmerztabletten behandelt werden konnte. Ich habe keine Ahnung wie ich es in der brütenden Hitze dieses Tages geschafft habe mich zum Krankenhaus zu schleppen, aber ich fürchte wenn es einem wirklich wirklich beschissen geht, macht man so ziemlich alles um sich besser zu fühlen. Glücklicherweise habe ich Connection in das „Wolfson Medical Center“ welches wir von unserem Balkon aus sehen können, und welches der Arbeitgeber von zwei meiner WG-Kolleginnen ist.

Wenig vertrauenerweckend ist, dass dieses Krankenhaus in ein halbwegs zwielichtiges Einkaufszentrum über geht und ansonsten auch einen eher semi-professionellen Eindruck auch mich macht. So war zum Beispiel die Notaufnahme mit einer nicht ganz so dezenten Anzahl von Plastikplanen halb abgedeckt. Die Bauarbeiten, nur einen Meter von der Rezeption entfernt, ließen mich meine Daten der Schwester entgegen brüllen und meinen ohnehin schon schmerzenden Kopf erzittern, als würde der Presslufthammer direkt meinem Schädel, und nicht einige Meter weiter den Fußboden bearbeiten. Das kreischen der Kreissäge dröhnte in meinen Ohren und zerrte so sehr an meinen Nerven, dass ich das Gefühl hatte jeden Moment laut losschreien zu müssen. Hier passt mal der normalerweise von mir verachtete Spruch: „Das würde es in Deutschland bestimmt nicht geben!“ In mir stieg die Unruhe und ich konnte meinen Puls einen Marathon absolvieren spüren, als endlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen war – meine Mitbewohnerin Marie. Als Mitarbeiterin im Krankenhaus hat sie von da an alles getan um meine Wartezeit zu verkürzen und meine offensichtliche Nervosität zu lindern. Durch ein kurzes Gespräch ihrer seits mi den richtigen! und wichtigen! Leuten wurde ich mir nichts dir nichts zu Untersuchung gerufen, und mir wurden Blut abgenommen, der Puls gemessen und meine Daten aufgenommen. Alles auf englisch/hebräisch, was meine Kopfschmerzen nicht gerade verbesserte. Danach hieß es warten. Lange warten. Schon wieder. Zu diesem Zeitpunkt saß ich schon über drei Stunden mit ungeheuren Schmerzen, die ich mir nicht erklären konnte im Krankenhaus. Mir wurde zunehmend unbehaglich bei dem Gedanken daran, wie viel Geld mein Aufenthalt kosten würde, da ich nur noch die letzten 500 Shekel Bargeld aus meinem Schrank mitgenommen hatte. Mehr konnte ich gerade nicht bezahlen.

Meine Mama ist echt klasse. Während ich da so vor mich hin gelitten habe, machte sie meiner Reiseversicherung offensichtlich ordentlich Dampf unter den Hacken, denn später bekam ich einen Anruf, der mir bestätigte, dass dem Krankenhaus bereits eine Kostenübernahme für meine Behandlung zugesichert worden war. Was für eine Erleichterung! Danke Mama!

Trotzdem wurde mir nun erklärt, dass mir ohne Arzt keine Schmerzmittel verabreicht werden könnten, da ich morgens schon welche genommen hätte. Das leuchtet ein, jedoch hatte ich in meiner Situation doch eher ein geringes Verständnis dafür, dass ich mich nach drei Stunden hier noch nicht besser fühlten sollte. Zunehmend passiv aggressiv und sehr nervös saß ich wieder herum. Begleitet wurde ich durch minutiöse Anrufe und Nachrichten meiner Mutter, die sich vermutlich die Sorgen ihres  Lebens machte und alles versuchte um mich zu beruhigen. Auf ihren Rat hin sang ich innerlich ein Lied aus meiner Kindheit in Dauerschleife, was mich nach der sechsundsiebzigsten Wiederholung tatsächlich etwas entspannte. Ich versuchte auszublenden, dass um mich ein vollkommenes Chaos an scheinbar orientierungslos herum laufenden Leuten emsig am rotieren war. Patienten auf Liegen, die eher tot als lebendig aussahen wurden in eine Warteschlange eingereiht um einem der viel beschäftigten Ärzte vorgeführt zu werden. Selten habe ich so schlechte Organisation erlebt wo sie so dringend nötig gewesen wäre. Meine Mitbewohnerin Marie hatte zuvor eine Rolle roter Klebchen aus einem Regal gefischt und kam nun mit einer Decke und sorgenvoller Miene zu mir um mir mitzuteilen, dass sie den „dringend“-Sticker nicht mehr auf meiner Blutprobe hatte anbringen können, da diese schon ins Labor gebracht worden war. Aber gute Nachrichten waren in Sicht. Endlich durfte ich einen Arzt sprechen. Nasennebenhöhlen-Entzündung. Was? Nur so etwas bescheuertes wie ein stärkerer Schnupfen lässt mich nächtelang nicht schlafen und ruft so starke Schmerzen hervor? Ich fühlte mich wie gefangen in einem schlechten Witz. Im Abstand von wieder jeweils einer Stunde Wartezeit und mehreren Besuchen von Marie bekam ich erst Tabletten und schließlich eine Infusion verabreicht, die mich abermals meinen Mageninhalt hervor würgen ließen. Offensichtlich war es meinem Körper schnuppe, dass er nichts mehr zum hervor würgen her gab… . Um ca. halb vier, fünf Stunden nachdem ich das Krankenhaus betreten hatte, verspürte ich eine unendliche Erleichterung, als die Schmerzen langsam nachließen. Nach einer weiteren Stunde und der immer selben Bitte an wenigstens sieben verschiedene Schwestern, meinen Arm doch von der leeren Infusion zu befreien, wurde ich mit einem Rezept für Nasenspray und einem für Schmerztabletten einfach nach Hause geschickt. Das fand ich auch reichlich merkwürdig, aber in Israel studieren Ärzte auch Medizin… .

 

 

Und es ist schon wieder Vollmond

Ich bin nach Tel Aviv gezogen.

Ich lebe schon seit fast vier Monaten in Israel.

Sicherlich keine neuen Infos, aber deshalb nicht weniger wunderlich und fantastisch für mich. Während ich die letzten Wochen und Monate zunächst damit beschäftigt war all das Neue um mich herum und die neuen Gedanken in mir aufzunehmen und klar zu kriegen, in das offensichtliche einfach nicht durchgesickert. Dieses andere Leben was ich jetzt führe, mit meiner Arbeit, der WG, den neuen Freunden – all das passiert in Tel Aviv, einer Großstadt am Meer, in Israel, 4.200 km von meiner Heimatstadt entfernt. Ganz schön verrückt, oder?

Gerade hat es mich ein bisschen getroffen wie der Schlag, da ich zwischen abendlichen Gesprächen und einem ziemlich deliziösen Rucola-Salat auf der Terrasse gemerkt habe, dass in Folge des schon wieder erscheinenden Vollmondes schon wieder ein Monat ins Land gegangen ist. Nur jetzt eben in einem anderen Land. Das hier alles ist langsam so normal geworden, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass andere junge Leute anders leben. Schon verrückt wie das hier trotzt vieler Schwierigkeiten und Anstrengungen Zuhause geworden ist. –  Mein Zuhause in Israel.

 

 

https://www.google.co.il/search?q=vollmond+israel&rlz=1C1CHBF_deDE693DE693&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwi0j4naxN3aAhWEiKYKHS72BUMQ_AUICigB#imgrc=7YmO8ujRa5DhOM: